Hammerfragen zu Hammermethoden

­Warum "Die Methode" allein nix helfen kann

„Eine Methode ist ein Werkzeug. Ein Hammer zum Beipiel. Damit kannst du jemandem den Schädel einschlagen oder deiner Familie ein Blockhaus bauen.“

Aber vielleicht brauchst du gar kein Haus, weil du schon eines hast? Und ein Zimmermannshammer eh schon in deiner Werkzeugkiste liegt? Der taugt zum groben Klopfen: Nagel in die Wand! Du willst aber kein weiteres Bild an die Wand hängen. Ist schon schön so, wie es ist. Oder du kassierst einen blauen Daumen, wenn du versuchen würdest, das Ringlein an deiner Halskette wieder so hinzuklopfen, dass der Anhänger nimmer verloren geht.

Fragt sich, wer da hämmert

Das Bummerl aus der Nachbarschaft, dieser massige Muskelprotz vom Bau, der ein Klavier mit einem Finger tragen kann? Wo der hinhaut, wächst gewiss kein Gras mehr. Ein beherzter Hammerschlag, und die Wand fällt um. Wahrscheinlich müsste er ihr nur sein Werkzeug zeigen. Dann würde die Wand seufzen „Ja doch, ist ja schon gut!“, ein wenig Baustaub aushauchen und freiwillig in sich zusammensinken.

Würde ich dasselbe versuchen, hätte ich vielleicht auch Erfolg. Aber nur, weil die Mauer angesichts meines präsentierten Zerstörungswerkzeugs plus entschlossener Miene und Wucht von nicht mal 50 Kilo vor Lachen - auch Baustaub ausprustend - einfach so zusammenbräche.

Das gleiche Werkzeug, das gleiche Ergebnis, aber ganz verschiedene Prozesse, die da ablaufen. Erstaunlich! Was wohl für die Wand angenehmer war? Schade, dass wir sie nicht mehr fragen können. Aber in (m)einem Fall hat sie zumindest gelacht. Was ich mir erlaube, als Zusatzerfolg zu verbuchen.

Und gibt es nicht so viele verschiedene Hämmer?

Um das winzige Ringlein am Lieblingsschmuck zu reparieren, benutze ich lieber den „Mädchenhammer“. Ein ganz kleines, leichtes Hämmerchen mit elegantem, dunklen Holzgriff, sauber glänzend poliertem Kopf, der mit seiner Spitze zielgerichtet das Mikroziel treffen kann – so man es geschickt anstellt. Haut man doch einmal daneben, ist der Effekt nicht ärger, als wenn ein Mistkäfer mit Anlauf auf den Finger hüpfen würde.

Manchmal verlangt die Situation aber eher einen Vorschlaghammer, zum Beispiel, wenn man Zeltheringe in betonartigem Boden versenken oder ein Vorhängeschloss, dessen Schlüssel verlustig ging, öffnen möchte. Dann musst du Hebel, Schwungkraft und Ziel ganz genau einschätzen. Sonst geht’s daneben und wahrscheinlich schmerzhaft schief. Triffst du zielgenau, und das schaffe sogar ich, halten die Heringe dein Zelt sturmsicher oder der Schlossbügel gibt nach und du kannst deinen Spind wieder öffnen. (Das mit dem Vorhängeschloss lernt man bei erfahrenen Hausmeistern, sehr empfehlenswert für Schlüsselverschussler.)

Als mein Sohn mit etwa zwei Jahren dem „Bob der Baumeister-Syndrom“ erlag, bastelte ich ihm aus einem mit Pappe überzogenen Styroporblock eine altersadäquate Hineinhämmermöglichkeit, um unsere Möbel zu schonen. Dort könnte er nach Herzenlust riesige Zimmermannsnägel mit seinem Mini-Holzhämmerchen versenken. Meine damalige Schwiegermutter sah zwar eine große Gefahr darin, einem so jungen Menschlein echte, spitze Nägel zu überlassen. Aber Sohnemann hatte strenge Anweisung, nur unter Aufsicht zu arbeiten. Die Spitzen habe ich stumpf gefeilt. Nachdem er das Ursache-Wirkung-Prinzip verstanden hatte, achtete er peinlich genau darauf, nur auf die Nägel statt auf die eigenen Finger zu klopfen.

Ihm ging es ausschließlich ums Hämmern. Das war der alleinige Zweck seiner Mission. Alle Nägel hineinklopfen. Wieder rausziehen. Da capo. (Als er ein paar Wochen später begann, seine erworbenen Künste an unseren Wänden zu testen, eröffnete ich ihm ein neues Universum: Schrauben! Heute lernt er Elektriker, darf kilometerweise Kabelschlitze klopfen. Das kann er, und ich bin nicht schadenfroh.)

Was ist eigentlich das Ziel der Aktion mit dem Hammer?

Bei vielen Methoden, die als die neue, superspektakuläre Hammermethode, als "der!neue!heiße!Scheiß!" gehypt werden, habe ich den Verdacht, da geht es lediglich ums Klopfen an sich, reiner Selbstzweck, wie bei meinem Sohn früher. Egal, in welche Branche man schaut: zum Beispiel Schul- und Alternativmedizin, Bildungswesen, Ernährung, digitales Marketing, Tango...

Könnte das lediglich Beschäftigungstherapie sein?

Da könnte man sich viele Dinge ausdenken, die sich prima verkaufen lassen. (Vielleicht sollt ich den überzogenen Styroporklotz doch patentieren lassen, in Serie produzieren und via Onlineshop verticken? Unbedingt überzogen mit Stoff oder Pappe, sonst bröselt's. Oder doch lieber nachhaltig und möglichst CO2-neutral aus regional angebautem Kork oder getrockneten Kuhmistpresslingen? Kompostierbar?) Wenn es wirklich nur darum geht, Eltern eine Verschnaufpause zu gönnen, finde ich ein Beschäftigungsangebot durchaus legitim.

Aber Erwachsene können sich doch selber aussuchen, womit sie sich beschäftigen? Oder nicht?

Ist man total busy mit der neuen, super, Hammermethode, die alle grade machen, könnts passieren, dass man vergisst, was sie bezwecken sollte: ein spezielles Problem lösen. Würde man sich nicht mit der Allround-Wunder-Methode beschäftigen – also selbige kaufen und sich mit dem neuen Spielzeug ablenken – könnt man ja vielleicht sogar selber drauf kommen, was hilft. Fatal fürs Geschäft.

Was sich dabei ganz leicht und geschwind in den Hintergrund schleicht?

  • Das Problem genau anschauen, von vorn und hinten, von oben und unten, von innen und außen. Bestandsaufnahme. Obacht! Das könnt ein bissel unangenehm sein.
  • Einen möglichen (!) Zielzustand definieren (z.B. Wand ist weg, mehr Licht im Flur)
  • Sich selber prüfen: die eigene Konstitution, Kräfte, Fähigkeiten, Erfahrungen, Wille, Geduld ...
  • Den Werkzeugkasten stöbern und
  • das für die Aufgabe passende Stück wählen.
  • Den Zeitrahmen festlegen, den du aushalten kannst. (Man kann, wenn man möchte, mit einem Mädchenhammer eine Wand plattmachen. Das dauert aber.)
  • Durchschnaufen! Anfangen!

Findest du in deiner Kiste nix Verwendbares oder kannst du Vorhandenes nicht bedienen oder bist du einfach zu „ungeduldig“ – siehe Mädchenhammer – suche einen Handwerker mit passendem Werkzeug und Können. Aber Obacht! Der soll dein Problem lösen! Nicht nur bezahlterweise seine Methode klopfen.

Ganz ehrlich, manchmal könnt ich im Schwall speien (pardon für meine Ausdrucksweise), wenn mir eine Methode als die allein seligmachende angepriesen wird. Es kommt doch immer darauf an, wer selbige wie, wann und vor allem mit welchem Können ausführt! Verschiedenste Hämmer, verschiedenste Menschen, verschiedenste Ergebnisse im Zusammenspiel Mensch/Hammer – wenn „verschieden“ steigerungsfähig wäre.

Ein Hammer allein hängt kein Bild auf oder schlägt jemandem den Schädel ein. Ein Hammer allein wird bei Dieter Bohlen keinen Blumenstrauss gewinnen. Ein hammer-artistischer-Bühnenkünstler vielleicht schon eher.

Und wenn wir schon einmal dabei sind: Warum versuchen so viele, eine Schraube mit einem Hammer in ihr Gewinde zu klopfen? Hör in diesem Fall nicht auf den Hammerverkäufer! (Weißt ja eh: „Wer nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.“) Das kann nicht klappen! Schau lieber, ob der Ikea-Inbus, ein Schlitz- oder Kreuzschraubi, ein Schraubenschlüssel passt. Oder du nimmst eine Zange.

Vielleicht hält die Verbindung der zu schraubenden Teilstücke provisorisch auch mit Leukoplast, Gaffatape, Strick, Pattex, Kaugummi ... Müssen die Teile überhaupt zusammengefügt werden?

Aber was weiß ich denn schon? Dein Hammer-Problem kennst du besser.

Und nicht vergessen: Beim Steineklopfen Schutzbrille auf! Das gilt auch, wenn man mit einem feinen Fragehämmerle Methoden abklopft.

hammer

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© 2022 Manuela Bößel * tangofish