Zugegeben, es ist nicht ganz einfach: Knetmasse ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Früher, in meiner Kinderzeit, kam sie noch wesentlich wesensfester daher. Man musste ordentlich arbeiten, um sie formbar zu bekommen. Geduld (oder warmes Wasser, Heizung o.ä.) war gefragt. Dafür behielt sie - nach Abkühlung - ihre endgültige Werkform zuverlässig bei. Die kinderhandfreundliche Textur heute verlangt Zwischenaufenthalte im Kühlschrank, um die stabile Knochenform samt Hallux valgus darzustellen. Aber ich meine, das geht schon...
Lass uns anfangen!
Wir beginnen mit den Zehen.
Die Gelenke ignorieren wir einfach und formen vier dünnere und ein a bissle dickeres Würstle (im Bild hell dargestellt, eh klar, oder?). Orientiere dich größenmäßig an deinen eigenen Zehen. Beachte dabei, dass die Grundgelenke unter dem Ballen weiter hinten Richtung Ferse liegen, als man vermutet. Fasse unter deinen Ballen, wackle mit den Zehen und fühle, wo sie an die Mittelfußknochen anschließen.
Die Mittelfußknochen formst du ein wenig dicker und länger. Ertaste die Gesellen am Eigenfuß: Sie reichen von den Zehengrundgelenken bis zur Fußwurzel, mit deren Anteilen sie verbunden sind.
Die Fußwurzelknochen erlauben wir uns als Block darzustellen. Im echten Leben sind auch diese Knöchelchen untereinander ein bissele beweglich, was wir im Versteh-Modell vernachlässigen.
Dann brauchst du noch eine Ferse - einen Kneteknubbel ungefähr so wie im folgenden Bild - und ein Sprunggelenksschüsselchen (im folgenden Bild dort, wo die drei grünen Pfeile aufeinander treffen) - beide natürlich gnadenlos vereinfacht. Es geht um die Statik, nicht um anatomische Mückenfürze.
Dann setze die Bauteile zu einem hübschen Fußlängsgewölbe zusammen.
Willst du dein Modell fleißarbeitisch optimieren, gönne ihm auch ein Quergewölbe, indem du die Mittelfußknochen leicht bogenförmig anordnest. So haben die mittleren Zehengrundgelenke weniger Bodenkontakt als die äußeren.
Das Quergewölbe kannst du aber auch gern weglassen, wie ich in Bild 1. Für die Halluxbastelung wird selbiges eh als Erstes entfernt. (Am Lebendfuß wäre das der berühmte Spreizfuß, häufig mit Ballenschmerzen oder Hornhaut respektive Hühneraugen im mittleren Bereich. Manche Senkfüße sind einfach so und machen gar keine Beschwerden.)
Im folgenden Bild stellt die Ballerina das Schienbein dar. (Leider habe ich nicht mehr genug Knetmasse.) Aber ich finde, sie zeigt uns recht anschaulich, dass die Kraftlinie des gesunden Geläufs über den Zeigezeh zum Boden läuft. Sie steht fein zentriert mittig im Sprunggelenk.
Falls du eines beim Normalfuß eingebaut hast, raus damit, du Streber!
Ich habe Ballerina Golondrina gebeten, mehr Gewicht auf den Innenrand ihrer Schale zu bringen. Das wäre ungefähr dort, wo sich dein Innenknöchel befindet. So bekommen wir eine satte Überbelastung des Großzehengrundgelenks, genau da, wo wir den Hallux valgus haben möchten.
Wie du diese Innenknickung in vivo (am Echtfuß) gebacken bekommst, bleibt dir überlassen - da gibt es zahlreiche Möglichkeiten:
Du könntest zum Beispiel dein Längsgewölbe platt machen, indem du deinen Füßen und den Muskeln am Unterschenkel auf keinen Fall und niemals nicht Trainingsmöglichkeiten bietest (dazu mehr im Folgeartikel). Oder du drehst deine Fußspitzen konsequent beim Gehen und Stehen nach außen wie eine Ballerina oder Ente. Streckst du deinen Bauch dazu ein bissel raus, kannst du gut spüren, dass die Überbelastung zuverlässig am Großzehengrundgelenk ankommt. Weitere Möglichkeiten wären X-Beine (Knie zusammen auch beim Gehen), der Versuch, klein und niedlich zu wirken oder eine depressiv gestimmte Körperhaltung. Probier's aus! Und bleib dran, das geht nicht von heut auf morgen.
Unsere Füße können diesen Zustand über einen längeren Zeitraum ganz gut kompensieren. Drum nehmen wir einen weiteren Aspekt dazu: enge, spitze Schuhe. Da wir an einem Verständnis-Modell arbeiten, ist hier selbstverständlich alles überspitzt dargestellt.
Was bleibt dem großen Zeh nun anderes übrig, als sich wenig wohlig an die Innenseiten des Schuhs "anzuschmiegen"? Seine Brüder können so gequetscht auch weniger vom Gewicht übernehmen, das von oben kommt - vor allem dann, wenn du auf diesen Fuß draufsteigst, was sich schon beim normalen Gehen kaum vermeiden lässt. Geschweige denn beim Tangotanzen, wo du das Gewicht tendenziell eh mehr Richtung Ballen verlagerst. Das Quergewölbe möchte doch so gerne ein wenig auseinander gleiten! Das verhindert eine solch schicke Pfotenumhüllung gewiss.
Bleibt der Druck auf unsere Hallux-Wuchsstelle bestehen, sieht die Großzehenwurzel keine andere Möglichkeit mehr, als sich einen Schutzhelm wachsen zu lassen. Und schon haben wir den berühmten, schnell und simpel zu diagnsotizierenden Halluxknubbel entwickelt! Da freut sich das Orthopädenherz!
Eine für unsere Zwecke sehr nützliche Folge ist die Verlagerung der Sehne am Fußrücken, die den Daumenzeh bedient. (Dafür ist der Halluxknubbel nicht zwingend nötig, wirkt aber spektakulärer.)
So verlaufen die Sehnen zu den Fußhebermuskeln normalerweise:
Von den Zehen über die den zugehörigen Mittelfußknochen über den Knöchelbereich nach oben zu den Muskeln, welche den Gesamtfuß anheben - hübsch geordnet und funktionell.
Witscht der Daumenzeh am Grundgelenk aus,ändert sein Seilzug den Verlauf und wirkt mit seiner Zugkraft eher wie eine Bogensehne, die unser pathologisches Ansinnen bestens unterstützt.
Es gibt noch eine sehr wirkungsvolle Methode, um unseren Hallux zu pflegen und zu weiterem Wachstum anzustacheln: ein hoher Absatz! Je höher, desto besser! (Im folgenden Bild durch ein kopfstehendes Wasserglas dargestellt)
Hurra! Die Belastung am Großzehengrundgelenk kommt nicht mehr nur uneffektiv schräg, sondern gut ausgerichtet, mit richtig viel Druck von oben. Sehr wirksam! Unsere Ballerina zeigt dir im nächsten Bild mittels Zahnstocher, wie sich die Belastung durch den Mittelfußknochen direkt an unseren Wunschort - ins Großzehengrundgelenk - versenken lässt:
Um die Halluxbastelung perfekt zu gestalten, kannst du den Knubbel - optimalerweise mit roter Knete - noch (bzw. wieder) dranpappen. Weißt ja jetzt, wo.
Fertig! Mission erfolgreich erledigt! War doch gar nicht so schwierig, oder?
Natürlich darfst du selber experimentieren: Die Schritte vertauschen, einzelne auslassen und dafür andere verstärken, verschiedene Absatzhöhen ausprobieren, neue Innenbelastungsszenarien am Knöchel entwickeln... Ganz wie's beliebt, sei kreativ - Hauptsache, du kriegst eine richtig heftige Überbelastung am Großzehengrundgelenk zustande.
Nur eine abschließende Bitte: Nutze dafür statt deiner eigenen Füße das Modell aus Knete!
Und im nächsten Artikel untersuchen wir die Angelegenheit quasi rückwärts:
Dieser Text ist quasi ein Bonuszuckerl zu meinem Buch "Das Konzept Fuß: Fußprobleme verstehen, bearbeiten und lösen (ein unideologisches Buch für normale Fußbenutzer)"
Dieser Artikel ist erstmals am 11. April 2018 am alten Blog-Wohnort erschienen: http://im-prinzip-tango.blogspot.com/2018/04/wir-basteln-einen-hallux-valgus.html
Jochen Lüders
Manuela Bößel
dankeschön! Schau, du kommst ja doch besser mit Bildern zurecht, als gedacht ;)
Herzliche Grüße
Manuela
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